Riedis - Handgeschneiderte Gymnastik- und Turnanzüge

Hinter den KulissenHinter den Kulissen: Olympia-Kollektion in der Warteschleife

Hinter den Kulissen: Olympia-Kollektion in der Warteschleife

„Ich habe mich völlig neu erfunden“, sagt Stefanie Bolte auf die Frage, inwiefern sich die Absage aller nationalen und internationalen Wettkämpfe seit Mitte März auf ihren Job auswirkt. Die 48-Jährige schneidert normalerweise Anzüge für die Turnerinnen der deutschen Nationalmannschaft. Unter normalen Umständen wäre sie aktuell in der Endabstimmung mit den Bundestrainern der Gerät- und Trampolinturner, um den Wettkampfanzügen den letzten Schliff zu verpassen. Doch mit der Absage der Olympischen Spiele sowie aller nationalen und internationalen Wettkämpfe, die Mitte März erfolgte, gerieten plötzlich andere Textilien in den Fokus der Schneiderin.

Für den guten Zweck

„Mein letzter Auftrag waren die Turnanzüge für den Weltcup im März, der dann aber wegen der Corona-Pandemie abgesagt wurde“, bedauert Stefanie Bolte. Der ersten Ratlosigkeit folgten aber schnell Aufträge ganz anderer Art. „Plötzlich wurden unglaublich viele Mund-Nasen-Schutzmasken gebraucht. Von der Apotheke hier im Ort, die in der Region vier Niederlassungen hat, habe ich recht schnell eine Anfrage bekommen, ob ich die nicht anfertigen könne“, erzählt Bolte. Ihre Fertigkeiten sind in Söhrewald im Landkreis Kassel eben bekannt. Inzwischen fertigt sie täglich 100 bis 150 solcher Masken an, die meisten aus gespendeten Textilien. „Es ist unglaublich, wie viele unterschiedliche Blümchenmuster Bettwäsche haben kann“, sagt sie mit einem Schmunzeln. Da aber nicht jeder gern Blümchenmuster im Gesicht trägt, färbt sie die Stoffe ein.

„Am Anfang musste ich Vieles ausprobieren. Welche Bänder eignen sich für den Saum, welche für die Befestigung am Kopf? Inzwischen verwende ich Lycraband, das ich normalerweise für die Turnanzüge verwende. Das franst nicht aus und ist angenehm zu tragen.“ Und weil zu Beginn nicht alle Masken für den Verkauf geeignet waren, spendete sie etwa 100 Stück an Altenheime und Sozialstationen. Inzwischen wird in Absprache mit der erwähnten Apotheke jede fünfte Maske gespendet. „Das ist hier bei uns ein Geben und Nehmen – schon immer“, betont Stefanie Bolte. Vor allem in dieser schwierigen Zeit sei die gegenseitige Unterstützung im Ort besonders groß.

Ideen gemeinsam umsetzen

Die Entwicklung von Mund-Nasen-Masken hin zu perfektem Sitz und Design ging vergleichsweise schnell. Bei den Turnanzügen dauert das in der Regel etwas länger. „Allein die Planung und das Zusammentragen der vielen Ideen aus der Mannschaft dauert eine Weile“, erzählt die Schneiderin. Zusammen mit ihren eigenen Ideen erstellt sie zunächst verschiedene Kombinationen. „Das ist gar nicht so einfach, weil die Altersspanne der Turnerinnen so groß ist. Jede Turnerin hat so ihre Vorlieben. Hinzukommen die Anforderungen der Bundestrainerin Ulla Koch.“ Zu den Terminen, in denen sie sich mit der ganzen Mannschaft trifft, kommen Abstimmungen über WhatsApp und Facetime hinzu. „Bis zum perfekten Schnitt dauert es einige Wochen, weil immer individuelle Anpassungen notwendig sind“, sagt Stefanie Bolte. Offensichtlich hat die 48-Jährige aber ein Händchen dafür – der Erfolg gibt ihr jedenfalls Recht. Oft erhält sie Anfragen von Einzelturnerinnen, die für einen bestimmten Wettkampf einen neuen Anzug haben wollen. So auch die Turnerinnen der KTG Hannover.

Nachhaltige Wertschätzung

Das klingt zunächst einmal alles andere als nachhaltig. Doch tatsächlich spielt Nachhaltigkeit sowohl für die Schneiderin als auch für die Turnerinnen eine große Rolle. „Alle Anzüge werden genutzt, auch wenn sie nicht Teil der aktuellen Kollektion werden“, betont Stefanie Bolte. Sie werden beispielsweise an den Turnnachwuchs weitergegeben. „Außerdem schmeiße ich keine Stoffreste weg. Aus dem Verschnitt fertige ich Haarbänder an oder verwende Teile davon für Farbkombinationen. Was ich gar nicht mehr gebrauchen kann, gebe ich an Kitas.“ Darüber hinaus hängen die Turnerinnen oft sehr an ihren Anzügen und lassen sie ändern, wenn sie aus ihnen herausgewachsen sind. Zerrissene Anzüge werden repariert. „Was die Zusammenarbeit mit den Turnerinnen auszeichnet, ist die große gegenseitige Wertschätzung“, freut sich Stefanie Bolte.

Und was ist nun mit der neuen Olympia-Kollektion? „Die Entwürfe stehen natürlich noch unter Verschluss, aber wir tüfteln weiter und hoffen, dass die Anzüge im nächsten Jahr in Tokio zum Einsatz kommen!“

Stefanie Bolte (liegend) mit den Turnerinnen der Nationalmannschaft

Zur Person

Als gelernte Verwaltungsfachangestellte ist Stefanie Bolte über ihre private Leidenschaft für Handarbeiten zur Schneiderin geworden. In einem Kurs bei einer Schneidermeisterin erkannte diese ihr Talent für das Nähen. Das war vor über 20 Jahren. Inzwischen ist die 48-Jährige überregional eine gefragte Expertin für Turnanzüge und erhält Anfragen nicht nur aus der deutschen Nationalmannschaft, sondern auch von Einzelturnerinnen.

Stefanie Bolte ist ehemalige Leistungsturnerin sowie Trainerin und Kampfrichterin mit internationaler Lizenz. Sie war unter anderem Mitglied der Kampfgerichte bei Länderkämpfen und Olympia-Qualifikationswettkämpfen.

Quelle: Heike Werner © TURNWELT DREI, 2020 - Seite 30/31
Bilder: Stefanie Bolte, Ulla Koch
Den kompletten Presseartikel könnt ihr hier als PDF herunterladen.

Turnanzüge von höchster Qualität und Individualität herzustellen – das ist meine Leidenschaft. Schon deshalb ist jeder unserer Anzüge ein handgefertigtes Unikat.

Kontakt

An der Söhrebahn 25
34320 Söhrewald

05608 – 54 60
steffi@riedis.de

follow us